Von Nichten und Neffen
10. April 2007
Kein Ehegattentestament, keine Kinder? Dann erben sogar Nichte oder Neffe!
Das glauben Sie nicht? Dann sind Sie in guter Gesellschaft. Mich hätte es beinah´ ein Mandat gekostet. Und das kam so:
Einem Mandanten war der Vater verstorben - ohne Testament. Kein Problem, denn er war das einzige Kind, also Alleinerbe.
Die zweite Ehefrau des Vaters, also die Stiefmutter des Mandanten, war einen Monat vor dem Vater verstorben; kinderlos - ebenfalls ohne Testament. Kein Problem?
Weit gefehlt! Ich erklärte dem Mandanten, er müsse in der Familie der Stiefmutter nach Geschwistern oder Nichten oder Neffen forschen. Die würden noch ein Viertel erben, so daß er sich ein Achtel des gemeinschaftlichen Hausgrundstücks werde teilen müssen.
Zwei Wochen lang hörte ich nichts. Dann traf ein Fax einer Kollegin aus der Nachbarstadt (Kann denn aus H... etwas Gutes kommen?) ein: Sie sei beauftragt, das Mandat fortzuführen usw.usf.
Ich rief den Mandanten an, was vorgefallen sei? Er erklärte, "das mit dem Neffen "habe ihn stutzig gemacht; er habe dann "seinen" Unternehmensjuristen gefragt - und der habe "klar" gesagt, daß Nichte oder Neffe nicht erben. Da sei er zu der Kollegin gegegangen, die habe das bestätigt..
Das stünde "ja schon im Gesetz, daß der Neffe nicht erbt." Drollige Formulierung, dachte ich und sagte: "Herr X, wissen Sie, ich habe eine Erbrechts-Broschüre des Justizministeriums. Da heißt es auf der ersten Seite, kaum jemand wisse, daß der Ehegatte nach dem Gesetz nicht alles erbt, solange noch Nichte oder Neffe vorhanden sind. Die bekämen dann nämlich ein Viertel der Erbschaft."
Hier können Sie die Seite aus der Broschüre "Erben und Vererben" des BMJ anschauen.
Ich sagte, ich kopiere Ihnen diese Seite - außerdem den § 1931 BGB, warnte ihn allerdings, man müsse fast Jurist sein, um den zu verstehen. Zwei Tage lang war erneut Funkstille, dann gab der Mandant sich "geschlagen" und setzte das Mandat fort.
Ihm war klar geworden: Wenn er bei der Mandatskündigung bleibt, habe nicht ich ein Problem, sondern er.
Drei Schlüsse sind zu ziehen:
1.Der Mensch vertraut gern der Auskunft, die er am liebsten hört.
2. Nicht jeder Jurist oder Anwalt kennt sich im Erbrecht(s-ABC) aus.
3. Kostenloser Rat ist (oft) soviel wert wie er kostet...!
"Nicht zu Unrecht gilt das Erbrecht als ein besonders schwieriger Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches...Die(se) Vielschichtigkeit macht es dem Laien oft schwer, eine Regelung nachzuvollziehen. Nirgends klaffen laienhafte Vorstellungen und rechtliche Ausgestaltung soweit auseinander." So steht es wörtlich in der Einleitung des Beck´schen Rechtsberaters "Erbrecht von A bis Z" des Münchner Notarkollegen Winkler. Wohlgemerkt:
Hier ging es nur um das ABC des Erbrechts...!