Gisbert Bultmann
Rechtsanwalt & Notar a.D.
 

Dignitas

Hilfe statt Tod 

Der Tod ist für alle Menschen gleich; das Sterben jedoch nicht. Es ist so vielfältig, wie es Menschen gibt. Und mehr noch als vor dem Tod fürchten sich viele Menschen vor dem Sterben. Doch darüber wird kaum geredet. Wir orientieren uns an ganz anderen Bildern. Sie suggerieren ewige Jugend, blendende Gesundheit.

 

Krankheit, Alter, Leid  - das passt nicht dazu.

 

Wir haben das Sterben und den Tod aus dem Leben verbannt.


Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass viele Menschen das Sterben fürchten. Ein anderer liegt wohl im Fortschritt, im medizinischen Fortschritt.

 

Zwar verdanken wir den Errungenschaften der modernen Medizin ungeheuer viel. Sie machen vielen Menschen das Leben erst erträglich. Aber sie macht auch Angst. Denn sie vermag das Leben künstlich zu verlängern. Sie kann den Sterbeprozess sehr lange hinauszögern. Für viele Menschen ist das eine Horrorvorstellung – dass sie passiv einer Apparatemedizin ausgeliefert sind, dass sie „dahinvegetieren“ und dass sie keine Chance haben, sich dagegen

zu wehren.


Aber wer entscheidet, wann ein kranker Mensch sterben darf ?

Der Arzt, der Angehörige oder der Patient ?


Bei uns ist die Rechtslage in einem Punkt eindeutig.

 

Die aktive Sterbehilfe, das Töten auf Verlangen, ist verboten.

 

Und genau da setzt Dignitas an. In der Schweiz berät die Organisation Menschen, wie sie ihr Leben beenden können. Sie hilft also beim Selbstmord. Aber kann der Tod wirklich eine Antwort auf unsere Ängste vor schwerer Krankheit, vor dem Sterben sein? Nein. Abgesehen von den vielen juristischen Fragen, die diese „Gründung“ aufwirft, gibt es große ethische Bedenken. Aus gutem Grund ist die aktive Sterbehilfe bei uns verboten.

Das sollte auch so bleiben.


Was aber nicht so bleiben sollte, sind die Zustände in etlichen Kliniken und Altenheimen. Es darf nicht sein, dass Menschen allein, mit Schmerzen, ohne Würde ihr Leben beenden müssen. So wie das Sterben zum Leben gehört, so sollte auch die Sterbebegleitung fest zur ärztlichen Fürsorge gehören.

 

Schmerztherapie statt Geräte, Zuwendung statt Anonymität. Wenn das gelänge, dann hätte Dignitas hier – selbst wenn es juristisch möglich wäre – kaum eine Chance.

 

Die Angst vor dem Tod kann kein Mensch nehmen, aber die Angst vieler Menschen vor dem Sterben wäre dann wohl gelindert.


 

WAZ vom 30.09.2005 - Kommentar von Heike Göbel

 

 

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