Gisbert Bultmann
Rechtsanwalt & Notar a.D.
 

Selbstbestimmung am Lebensende

 

Starke Worte - wohl wahr.

 

Sind sie nicht auch ein Wahn - möchte man einwenden, ein Euphemismus, wird da nicht etwas schön geredet ?

 

Hatten prominente Tote der letzten Zeit, hatten Terri Schiavo und Papst Johannes Paul II. ein "selbstbestimmtes" Ende ?

 

 

Im Grundsatz nicht ? Oder doch ?

 

Das Grundrecht, auf das wir pochen, tönt hohl -

gemessen an der rauhen Wirklichkeit von Krankheit, Alter und Tod .

 

Das Recht  - es beginnt mit der Erkenntnis, daß wir die Erde genauso wenig selbstbestimmt verlassen wie wir sie betreten haben.

 

Und trotzdem:

 

Hätte Terri Schiavo nicht durch eine Patientenverfügung auch den Fall des Wach-Koma regeln und sich gegen eine dauerhafte künstliche Ernährung aussprechen können ?

 

Und hatte nicht  Papst Johannes Paul II. erklärt, er wolle nicht ins San-Gemelli-Krankenhaus zurück, sondern im Vatikan sterben?

 

Beides heißt, sein Recht auf Selbstbestimmung auszuüben.

 

Selbst eine schlichte Erklärung des Willens und der Wünsche ist Wahrneh-mung des Rechts auf Selbstbestimmung.

 

Ja sogar :  Die vom Willen nicht, sondern vom Körper her kommende Verweigerung von Nahrung ist eine Äußerung von Selbstbestimmung !

 

Es gilt, den Menschen gegenüber Arzt und Krankenhaus den Rücken zu stärken:

 

Viele denken noch immer, sie gäben ihr Selbstbestimmungsrecht an der Pforte des Krankenhauses ab.

 

Sie glauben, der Arzt dürfe tun, was  e r  in der Erfüllung seines Heilauftrages für richtig hält. 

 

(Das Schlimme ist : Viele Ärzte glauben das auch !)

 

Juristisch ist das nicht der Fall:

 

Selbst der kunstgerecht ("lege artis") ausgeführte ärztliche Heileingriff,  - das lernt der Jurastudent im 1. Semester - ist tatbestandlich Körperverletzung, wenn er nicht durch die Einwilligung  des Patienten - nach gehöriger Aufklä-rung  durch den Arzt  - gerechtfertigt ist.

 

Das ist der rote Faden, der das Verhältnis Arzt- Patient durchzieht  -  vom Piekser mit der Kanüle für die Blutentnahme bis hin zur gefährlichen Herz-operation.

 

Hat der Arzt die Einwilligung des Patienten nicht, macht er sich strafbar und schadenersatzpflichtig.

 

Das ist auch der rechtliche Kern der Patientenverfügung:

 

Dem Arzt wird z.B. die künstliche Ernährung mittels Magensonde untersagt.

 

Aber indem ich das aufschreibe, habe ich mich noch nicht "selbst bestimmt".

 

Ich brauche vertraute Personen, die meinen Willen umsetzen und ihm gegen-über Arzt und Krankenhaus Geltung verschaffen.

 

Daher besteht ein wesentliches  Element der Wahrnehmung des Rechts auf Selbstbestimmung darin, dafür zu sorgen, daß es irgendwann Menschen gibt, die dazu bereit und in der Lage sind.

 

So ist die Vorsorge für das Alter - nicht unähnlich der Renten- und Vermögensvorsorge - ein Einzahlen in ein Konto bei der "Bank für soziale Unterstützung".

 

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Gisbert Bultmann

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