Anteile an Immobilien sind für viele Erben lästige Fußfesseln Wenn es um Schenkungen geht, denken die Gönner meistens an das Finanzamt. Genauso sieht es bei Erbschaften aus.
Bei der Niederschrift des Testaments spukt den meisten Leuten, die ihr Vermögen vererben wollen, der Fiskus durch den Kopf. Das ist verständlich, doch der Wunsch, die Steuern so gering wie möglich zu halten, führt in vielen Fällen zu Gestaltungen, die bei den Beschenkten oder Erben Bauchschmerzen auslösen, weil diese mit dem Geld eigene Ziele verfolgen.
Zum Teil knifflige Probleme
Davon sind in besonderem Maße die Erben vermieteter Immobilien betroffen. Sie werden in der Regel Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, oder sie bekommen Anteile an einem Gewerbetrieb, welcher die Liegenschaften besitzt. In beiden Fällen erhalten die Erben, das ist der springende Punkt, keine „abgeschlossene” Immobilie, sondern nur Anteile an Objekten, so daß sie mit dem Kapital, das in den Liegenschaften steckt, nicht machen können, was sie wollen.
Daraus ergeben sich zum Teil knifflige Probleme wie zum Beispiel im folgenden Fall. Ein Arzt ist vor fünf Jahren gestorben und hat seiner Frau und den drei Kindern vier Immobilien im Gesamtwert von zwei Millionen Euro hinterlassen. Auf den Objekten liegen noch Schulden von 400.000 Euro. Hinzu kommt ein Reparaturstau, dessen Auflösung die Investition von 200.000 Euro erfordert, so daß das effektive Vermögen bei 1,4 Millionen Euro liegt, auf jeden Erben also 350.000 Euro entfallen.
Hinzu kommen die Kosten der Renovierung
Die Familie hat das Erbe bisher in Ehren gehalten, doch nun wollen die Hinterbliebenen eigene Wege gehen. Die Mutter und die Tochter möchten die Immobilien behalten, die Söhne wollen ihre Anteile abstoßen. Das führt bei den beiden Frauen zu der Frage, wie rentabel die Anlagen sind, und zu der Über-legung, wie sich die Abfindung der Miterben auf das Kapital auswirkt.
Der erste Schritt ist die nüchterne Analyse der Lage. Jeder Anleger besitzt Anteile im Wert von 500.000 Euro. Sie werfen einen Rohertrag von jeweils 2.500 Euro pro Monat ab. Die Hypothek steht bei 100.000 Euro pro Erbe. Der Nominalzins beträgt 5 Prozent, und die Monatsrate für Zins und Tilgung liegt bei 791 Euro, so daß die Schulden in 15 Jahren getilgt sein werden.
Hinzu kommen die Kosten der Renovierung. Sie sind auf 200.000 Euro veranschlagt worden, so daß auf jeden Besitzer genau 50.000 Euro entfallen. Die Erben haben kein Bargeld zur Hand, so daß die Investition mit Hilfe weiterer Kredite finanziert werden muß. So entstehen bei einem Sollzins von 4 Prozent und einer Laufzeit von zehn Jahren zusätzliche Belastungen von 506 Euro pro Monat.
Nach Steuern sinkt die Verzinsung
Der Zahlungsplan der geviertelten Immobilie beginnt bei 400.000 Euro. Das ist die Differenz zwischen Anteilswert und Restschuld. Die Renovierung wird zu 100 Prozent mit Hilfe von Krediten bezahlt, so daß sie sich nicht auf den Startwert, sondern auf die Erträge auswirkt. Von den Mieten (2.500 Euro) bleiben nach Abzug der Tilgungsraten für die Restschuld (791 Euro) und die Renovierung (506 Euro) monatlich 1.203 Euro übrig. Sie fließen einhundertzwanzigmal, danach klettern die Erträge auf 1.709 Euro, weil die Rückzahlung des Modernisierungskredites wegfällt. Nach 15 Jahren soll der Wert des Immobilienanteils bei 500.000 Euro liegen.
Die Rendite der Zahlungsreihe beträgt 5,23 Prozent vor Steuern. Nach Steuern sinkt die Verzinsung auf 4,40 Prozent, falls mit einem Steuersatz von 25 Prozent gerechnet wird. Steigt der Steuersatz auf 40 Prozent, sinkt die Verzinsung nach Steuern auf 3,90 Prozent pro Jahr. In allen Fällen sind die Privatleute klassische Geldanleger. Sie haben 400.000 Euro investiert, sie bekommen Erträge von 1.203 bis 1.709 Euro, und sie haben nach 15 Jahren vermutlich 500.000 Euro auf dem Konto.
Sparvertrag mit hoher Startzahlung
Ganz anders sieht die Geschichte aus, wenn die Männer aussteigen und die Frauen im Boot bleiben. In diesem Fall müssen die Anlegerinnen weitere Kredite aufnehmen. Sie benötigen pro Nase effektiv 400.000 Euro, und das geht ins Geld. Bei einem Zinssatz von 5 Prozent pro Jahr sind jeden Monat etwa 3.163 Euro notwendig, um die Schulden innerhalb von 15 Jahren zu tilgen.
Die Belastung führt unter dem Strich zu einem Sparvertrag mit hoher Startzahlung. Anfangs legt jede Dame wieder 400.000 Euro an. Danach folgen 120 Sparraten, weil die Ausgaben höher als die Einnahmen sind. Die Raten für die doppelte Restschuld (1.582 Euro), die doppelte Renovierung (1.012 Euro) und die anteilige Abfindung (3.163 Euro) liegen um 757 Euro über der doppelten Miete von 5.000 Euro, so daß die Immobilien zehn Jahre zum Sparvertrag werden. Danach dreht sich das Vorzeichen um. Die Ausgaben für die Renovierung fallen unter den Tisch, so daß jeder Anlegerin monatlich 255 Euro bleiben. Lohn der Mühen sind nach 15 Jahren schuldenfreie Immobilienanteile im Wert von jeweils einer Million Euro. Das führt zu einer Rendite von 5,27 Prozent vor Steuern und zu Verzinsungen von 4,62 bis 4,22 Prozent nach Steuern, wenn mit Abgaben von 25 bis 40 Prozent gerechnet wird.
Immobilien passen nicht in die Lebensplanung
Die Zahlen der Geldanlage und des Sparvertrages liegen sowohl vor als auch nach Steuern dicht beisammen. Vor Steuern betragen die Renditen zwischen 5,2 und 5,3 Prozent, und bei einem Steuersatz von 30 Prozent sinken die Verzinsungen auf 4,5 bis 4,2 Prozent pro Jahr. Die Zahlen sind im wahrsten Sinne des Wortes durchwachsen, und bei genauer Analyse der persönlichen Lebensziele ist es kein Wunder, warum die Erben eigene Wege gehen wollen.
Die beiden Söhne sind 38 und 35 Jahre alt. Der ältere Sohn ist verheiratet, hat mit seiner Frau zwei Kinder, und die Familie möchte in zwei bis drei Jahren ein Eigenheim kaufen. Der jüngere Sproß bezeichnet sich als akademischen Wanderarbeiter in festen Händen. Er tingelt für seinen Arbeitgeber durch die Welt, sieht seine Freundin nur am Wochenende, und das Paar denkt weder an Heirat noch an Kinder. In beiden Fällen passen die Immobilien nicht in die Lebensplanung. Der eine Sohn möchte die 350.000 Euro versilbern, weil er mit dem Geld die Kreditaufnahme fürs Eigenheim minimieren kann, und der andere Sohn sagt sich zu Recht, daß jährliche Renditen von 4,2 Prozent nach Steuern mit anderen Geldanlagen mit geringeren Risiken erzielbar sind, zum Beispiel mit Anleihen und Aktien.
Verkauf ist die bessere Lösung
Die Mutter und die Tochter, die 32 Jahre alt und auf der Suche nach dem passenden Mann fürs Leben ist, fühlen sich dem väterlichen Erbe verpflichtet, doch sitzen sie zwischen Baum und Borke. Die Renditen der Geldanlagen sind in ihren Augen in Ordnung, und die Tatsache, daß die Erträge bescheiden sind, stört sie im Augenblick nicht. Die Mutter hat ihre Renten, und die Tochter geht ihrem Beruf nach, so daß die Immobilien stille Begleiter sind, die nicht viel Ertrag abwerfen müssen.
Der Wunsch der Söhne beziehungsweise Brüder, das Quartett zu verlassen, setzt die Damen jedoch unter Druck. Das liegt in erster Linie an der Struktur. Die Immobilien werden Sparverträge, falls die Miterben abgefunden werden müssen. Die monatlichen Belastungen schmecken den Anlegerinnen über-haupt nicht, und die Abneigung ist verständlich, weil die Risiken erheblich sind. Die Frauen starten auf der einen Seite mit einem Guthaben von je 400.000 Euro, doch sie müssen drei Hypotheken bedienen, vier Objekte verwalten und monatlich Geld zuschießen, um die Sache am Leben zu erhalten. Der Aufwand und die Risiken stehen in keinem Verhältnis zum Ertrag, so daß es sinnvoller ist, dem Weg der Söhne und Brüder zu folgen. Der Verkauf der Immobilien und die Auflösung der Erbengemeinschaft ist die bessere Lösung, weil sie allen Beteiligten höhere Erträge mit geringerem Risiko verschafft.
FAZ vom 25.02.2006 Volker Looman, Finanzanalytiker in Reutlingen.
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