Der Jahreswechsel ist ja die Zeit, in welcher man gute Vorsätze fasst, und so habe ich beschlossen, von jetzt an ein richtig guter, idealer und tadelloser Anwalt zu werden. Nun werden wir zur Zeit von vielen Seiten mir Normen und Qualitätsmanage-mentanleitungen überhäuft. Aber vielleicht sollte man sich einfach einmal daran orientieren, was die „Kunden“ von einem guten Anwalt wünschen. Und das ist, wenn ich mal so über die Äusserungen meiner Mandanten zusammen zähle, eigentlich ganz einfach: Zunächst soll der Anwalt natürlich nicht irgend einer sein, sondern ein inernational berühmter Staranwalt, der mit regierenden und gekrönten Häuptern per Du ist und bei allen Größen von Kultur und Wirtschaft ein und aus geht.
Dieser Idealanwalt sollte weiterhin stets für den Mandanten Zeit haben, gleichviel, wie wichtig und dringlich dessen Fall ist. Er muss also immer in seinem Büro sitzen, stets sofort am Telefon sein und Besprechungstermine einräumen können. Desgleichen muss er sofort den Fall bearbeiten und nicht etwa durch andere Termine gehindert sein. Auch muss er selbstverständlich sämtliche anstehenden Termine persönlich wahrnehmen. Der Anwalt sollte selbstverständlich bei sämtlichen Gerichten der Welt zugelassen sein und alle Richter persönlich so gut kennen, dass er dem Mandanten deren Meinung im vorhinein darzulegen vermag.
Der gute Anwalt weiss alles und macht nie einen Fehler.
Sollte dennoch einmal ein Rechtsstreit verloren gehen, wird er ohne mit der Wimper zu zucken dem Mandanten selbstverständlich dem diesen nicht zugesprochenen Betrag aus eigener Tasche auf den Tisch legen. Der gute Anwalt ist nur für seine Mandanten da.
Er muss demzufolge weder Nahrung zu sich nehmen, noch ist er gelegentlich etwa deswegen nicht zu sprechen, weil er gerade mal auf dem Klo ist. Selbstverständlich geht der gute Anwalt weder zur Einschulungsfeier seiner Kinder, noch zur Beerdigung seiner Mutter, da er ja für seine Mandanten zur Verfügung stehen muss. Er geht auch selbstverständlich weder ins Theater noch ins Konzert, weder zum Sport noch Spazieren und auch nicht zum Geburtstag seiner Erbtante, solange da noch eine Mandantenakte auf dem Tisch liegt. Da dem Mandanten selbstverständlich nicht zuzumuten ist, Termine während allgemeinen Büro- und Arbeitszeiten zu vereinbaren, steht der gute Anwalt auch morgens zwischen 5.00 und 7.00 Uhr und am späten Abend bis in die späte Nacht zu Besprechungen zur Verfügung.
Selbstverständlich ist, dass nach einer um 21.00 Uhr durchgeführten Besprechung der Mandant am nächsten Morgen den vollständigen Schriftsatz in der Post hat. Als wirklich guter Anwalt habe ich mich einmal gegenüber einem Rechtssuchenden erwiesen, der mich um 23.35 Uhr anrief mit dem Bemerken, dass um Mitternacht eine Berufungsfrist ablaufe und ich ihm jetzt sofort zur Verfügung zu stehen hätte. Der ideale Anwalt ist neben allen dem natürlich wirtschaftlich so unabhängig und gesichert, dass er seinen Mandanten nicht mit so lästigen Dingen wie Kostenrechnungen zu behelligen braucht.
Er arbeitet schließlich zur Verwirklichung des Rechts aus Idealismus oder aus mitmenschlicher Hilfsbereitschaft, aber doch wohl nicht des schnöden Mammons wegen. Also nochmal, kurz zusammengefasst:
Auch wenn ich gerade zum Kaffeetrinken bei Clintons eingeladen bin, werde ich selbstverständlich sofort auf den Anruf meines Büros, dass Frau Meier mich dringend zu sprechen wünscht,
weil die Katze ihres Nachbarn schon wieder auf ihr Grundstück gelaufen ist, sofort nach Hause jetten, einen Notariatstermin für einen Grundstückskaufvertrag über mehrere Millionen aufs Ungewisse verschieben, an der Goldenen Hochzeit meiner Eltern selbstverständlich nicht teilnehmen und unter Hintenanstellung sämtlicher anderer Belange sofort eine einstweilige Verfügung gegen die Katze beantragen. Gebühren berechne ich für eine solche Kleinigkeit selbstverständlich nicht, dass versteht sich ja von selbst. Alle anderen Kollegen ausser mir können das.
Bloß ich bin doof. Wer hilft mir, damit ich meine guten Vorsätze zum neuen Jahr endlich umsetzten kann?
Rechtsanwältin und Notarin Barbara Saß-Viehweger, Berlin
aufgelesen im Anwaltsblatt >>zurück<< |