Der BH aus europäisch – rechtlicher Sicht
Für Begriffsstutzige vorab, BH steht für Büstenhalter, im konkreten Fall für Bügel - Büstenhalter, was auch immer man unter der Kombination verstehen mag.
Die europäischen Regulationsfanatiker in Brüssel sind mal wieder scharf auf weibliche Intimwäsche.
Es ist noch gar nicht so lange her, als sich die Rechtsprechung mit dem so wichtigen Problem beschäftigen musste, wie der weibliche Schlafanzug unter europäische Regulationsmechanismen einzuordnen ist ( ZAP Nr. 4/ 1997 ). Diesmal beschäftigte man sich mit dem besagten BH und ganz nebenbei mit dem eventuell dazugehörenden Slip. Das Wort „eventuell“ kennzeichnet bereits die Problematik. Gehören beide, nämlich der BH und der Slip (der weibliche natürlich), irgendwie zusammen, oder ist es vorstellbar, dass man zwar einen BH tragen kann ohne Slip oder einen Slip ohne BH. Um diese ungeheuer wichtige Frage hatte man sich in Brüssel bei der Europäischen Kommission den Kopf zerbrochen und sich zur getrennten Einordnung entschlossen, was der Firma Quelle wiederum nicht behagte, weil sich das bei der Verzollung bei Einfuhr aus Drittländern verteuernd auswirkte.
Es ging immerhin um einen Bügel – Büstenhalter im Werte von 5,39 DM und um einen nach Meinung der Firma Quelle dazugehörigen Slip im Werte von 4,31 DM.
Auf Anfrage hatte die Oberfinanzdirektion in Frankfurt/Main Bezug genommen auf eine entsprechende Verordnung der Europäischen Kommission und fühlte sich verpflichtet, bei der Verzollung von zwei nicht zusammen gehörenden Kleidungstücken auszugehen. Hiergegen wandte sich die Firma Quelle Hilfe suchend zunächst an das Hessische Finanzgericht Kassel. Vergeblich! Schließlich landete die Sache zwecks Klärung beim Europäischen Gerichtshof ( EuGH ) in Luxemburg ( AZ: C - 80 / 96 ). Unsere hohen europäischen Richter machten sich die Sache nicht leicht. Im Rahmen vorgenommener historischer Überlegungen stieß man zunächst auf das merkwürdige Phänomen, dass schon die alten Römer den BH kannten, nicht aber den Slip oder zumindest kein vergleichbares Kleidungsstück.
Erwähnt wurde jedenfalls keines. Schon Tacitus beschreibt mit Wohlgefallen, wie die üppige Kurtisane ihre „Fascia“, die bei den Römerinnen übliche Brustbinde, umständlich anzulegen wusste. Terenz und Ovid, letzterer in der „ars amatori“, verfassten witzige Verse über das, was die männlichen Römer faszinierte, nämlich über besagte Fascia, die nach Meinung der beiden Dichter verborgene Reize betonte oder – schon damals – vortäuschend ersetzte. Die Tatsache, dass also bei historischer Betrachtung der Slip einfach nicht existiert, bleibt bei der luxemburgischen Entscheidung unberücksichtigt, weil man wohl richtigerweise von der normativer Kraft des Faktischen ausging.
Obwohl es also durchaus vorstellbar ist, dass die beiden Kleidungsstücke ein unterschiedliches Schicksal heben und getrennt betrachtet werden können, (was letzteres der Wirklichkeit nahe kommt), entschied sich der EuGH in Luxemburg am 15.Januar 1998 für die europäische Einheit. Beide Werte werden allerdings bei aller Einheitlichkeit im Zusammenhang mit der Zollberechnung nicht addiert, vierlmehr gilt nach einer bestehenden Auffangvorschrift die jeweils höhere Tarifnummer für die Zollberechnung. Im konkreten Fall orientiert sich die Zollabgabe also am höherwertigen „Bügel – Büstenhalter“. Merke: Im BH aufgehoben sind die Halbkugeln einer besseren Welt
Rechtsanwalt Dr. Werner Beaumont, Saarbrücken
aus: Zeitschrift für anwaltliche Praxis 1999 >>zurück<< |