Eugen Roth, Der Erbe
Schreib's auf!
In meinem "Sammelsurium" kann mans nachlesen, wie ich Berge von Zeichnungen, Steindrucken, Bilderbogen und Biedermeierblättchen zusammentrage.
Und wie ich sie gelegentlich zum Zwecke einer Neuordnung aus dem Schrank nehme, schaut auch der sechsjährige Stefan ein Weilchen zu. Er macht ein tief nachdenkliches Gesicht und sagt:
"Das muß ja sehr schwer sein, so viele Sachen in genau zwei Hälften zu teilen."
Ich bin natürlich etwas peinlich überrascht, so unvermittelt bei lebendigem Leibe als Erblasser angesprochen zu werden, aber ich tue so als hätte ich nichts gemerkt.
Ich wundere mich nur im Stillen, daß das derselbe Stefan sein soll, der sonst bei der leisesten Erwähnung, ich könnte einmal sterben, in bittere Tränen ausbricht.
Ich sage ihm also, daß ich vorerst noch da bin, daß er sich aber auf mich verlassen kann; ich würde mir alles überlegen und nach bester Einsicht verteilen.
Er schaut mich halb mißtrauisch, halb treuherzig an und sagt mit der unschuldigsten Stimme von der Welt:
"Bitte, schreibs auf den Zettel!"
Eugen Roth, Ansichten und Einsichten, S.183