Neunjähriger verliert Millionenerbe
Vater hat Großeltern ermordet
Ein seltsamer Prozess sorgt für Schlagzeilen in England. Ein neunjähriger Junge verliert eine Millionenerbschaft, weil sein Vater die Großeltern ermordet hatte.
Wie fast überall auf der Welt, schließt auch das englische Rechtssystem den Profit aus einem Verbrechen aus.
Im Klartext:
Der Vater des Jungen, der wegen zweifachen Mordes an seinen Eltern eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßt,
kam nie in den Genuß einer Erbschaft, die 500 000 Pfund (1,7 Mio DM) beträgt.
Das Geld wird vielmehr an die Nachkommen der verstorbenen Schwester des Großvaters ausgezahlt, und der Neunjährige steht völlig mittellos da.
Anwälte hatten diese Regelung als empörendes Unrecht betrachtet und auf eine angemessene Berücksichtigung der Ansprüche des Jungen geklagt.
Kinder dürften nicht für die Sünden ihrer Väter büßen, war das moralische Argument, an das sich eine Kette von höchst komplizierten Auseinandersetzungen anschloss.
Das höchste Berufungsgericht fällte nun eine endgültige Entscheidung, mit der sich die Rechtsvertreter des Jungen allerdings nicht abfinden wollen.
Für die ist das Gesetz aus dem Jahr 1925, auf das sich das Urteil bezieht, unvereinbar mit Menschenrechten, die in allen EU-Staaten gelten.
Im Laufe der jahrelangen Auseinandersetzungen hatte es bereits einen Vergleichsvorschlag gegeben, nach dem der Neunjährige die Hälfte der Erbschaft erhalten sollte. Das war jedoch vom Jungen und seiner Mutter abgelehnt worden.
Ein Jurist bestritt, dass es sich um einen einmaligen Fall handele, der unter besonderen Gesichtspunkten geregelt werden müsse. Auch der unwissende Käufer eines gestohlenen Autos könne kein Eigentum am unrechtmäßig erworbenen Gut erwerben und müsse, wenn auch unschuldig, die Folgen tragen.
WAZ vom 11.11.2000