Edward Reid, Schotte
G e i z war sein L e b e n
Edward Reid
starb im Alter von 85 Jahren und als echter Schotte. Der Junggeselle lebte allein in einem heruntergekommenen Schuppen ohne Heizung. Einziger Luxus war ein Auto, ein verbeulter Fiesta, für weniger als 2000 Euro gebraucht gekauft.
Geiz war sein Leben, hieß es in Nachrufen, und um so größer war die Überraschung bei der Testaments-Eröffnung. Edward Reid hinterließ nämlich mehr als 17 Mio Pfund, was umgerechnet 27 Mio Euro entspricht.
Davon lagen mehr als zwei Millionen Euro auf der Bank und 25 Millionen Euro besaß er in Aktien. Damit war nicht unbedingt zu rechnen. So arm wirkte Edward Reid, dass mitleidige Nachbarn auch mal mit einer warmen Mahlzeit an die Tür klopften, was nach einigem Zögern akzeptiert wurde.
Neue Kleidung gab es prinzipiell nicht. Fiel die Hose auseinander, wurde sie ausgebessert. Das Auto nutzte der Schotte, um einmal im Jahr ans Meer zu fahren, in den Urlaub, wie es hieß. Die Küste war rund 17 km von seiner Behausung entfernt. Abends ging es wieder nach Hause.
Über den Ursprung des Reichtums kann nur spekuliert werden. Wahrscheinlich wurde der Erlös aus dem Verkauf von zwei Bauernhöfen aus dem Familienbesitz erfolgreich in Aktien investiert, vermutet die Haushaltshilfe, die nur einmal ein Weihnachtsgeschenk erhielt: einen kleinen Kuchen. Im Testament wurde die 68-jährige nicht bedacht.
Sie bekam 40 Euro für sechs Stunden Arbeit pro Woche; sie zeigte sich fassungslos: "In seinem Haus war es immer kalt, und er hatte seit Jahren nichts mehr dran getan."
Zwei Cousinen und ein Vetter sind die glücklichen Erben. Sie haben den Erblasser kaum gekannt. In 25 Jahren sah man sich zur zwei Mal.
Familienfeiern kosten schließlich Geld.
WAZ vom 5.12.2002
Erinnert an Theodor Fontane:
G e i z h ä l s e sind die Plage ihrer Zeitgenossen, aber das E n t z ü c k e n ihrer Erben.
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