Isabella Rossellini, Some of me
Ein T e s t a m e n t und G r ä b e r
Jahrelang weigerte ich mich, ein Testament aufzusetzen,
da ich fürchtete, es würde Unglück bringen.
Der bloße Akt des Unterzeichnens eines solchen Dokumentes würde mich,
wie ich glaubte, vom Leben zum Tod befördern.
Doch die Vernunft setzte sich durch.
Das lag nicht nur an der Verantwortung für meine Kinder,
auch mein Aberglauben machte eine plötzliche, unerwartete Kehrtwendung.
Ich wußte, wenn man etwas laut sagt, kann man davon ausgehen,
daß das Gegenteil eintrifft.
Wenn während der Dreharbeiten jemand sagt,
"Das wird ein Erfolg", weiß man, daß es keiner wird.
Schon das Aussprechen der Vermutung
kann alle Chancen zunichte machen.
Vielleicht gilt das ja auch für mein Testament, dachte ich.
Vielleicht bringt mich das Aufsetzen und Untrschreiben nicht vorzeitig ins Grab,
sondern verlängert mein Leben.
Also ging ich zu meinem Anwalt, um das Projekt in Angriff zu nehmen.
Und mit der Zeit fing ich Feuer.
Es gibt so viele Arten, sein Geld zu vermachen,
selbst Leuten, die noch nicht existieren.
Es ist zum Beispiel zulässig, noch nicht geborene Nachfahren als Erben einzusetzen.
Ich war von der Idee fasziniert, jedem etwas zu vermachen:
alten Freunden, neuen Freunden. existierenden
und nicht existierenden Familienmitgliedern
(in Amerika kann man Trusts einrichten für Enkel,
die noch gar nicht geboren sind),
Arbeitgebern und Angestelllten, selbst netten Leuten,
mit denen ich mich aus Zeitmangel nicht näher hatte anfreunden können -
es war wie beim Weihnachtseinkauf,
wenn man überlegt, wie man seinen Verwandten und Bekannten
mit einer Überraschung Freude bereiten kann.
Ich brauchte Wochen zur Abfassung meines Testaments,
und
als ich fertig war, hätte ich mich am Liebsten hingesetzt
und auf das Ereignis gewartet.
Ich war so gespannt auf die Reaktion meiner Freunde.
Dann beruhigte ich mich und machte viele corna,
und das verhalf mir zu einer weiteren Erkenntnis:
Wenn ich mir meinen Tod schon nicht selbst wünschen durfte,
meine Freunde wären dazu fähig - aus purer Neugier, was ich ihnen vermacht hätte.
Welchen Einfluss hätte das wohl auf meine Lebenszeit?
Ich beschloß, niemandem von meinem Testament
und meinen Absichten zu erzählen
und auch nicht zu erläutern, woraus mein künftiger Nachlass bestand.
Ich entschied mich für eine Art O m e r t a -
das dumpfe, undurchdringliche Schweigen von Mafiaopfern, die nicht mit der Polizei kooperieren.
Wenn es um mein Testament geht, ist omerta angesagt, beschloss ich.
Also verliere ich jetzt kein Wort mehr darüber -
abgesehen von einem letzten Detail, auf das ich stolz bin.
In meinem Testament legte ich fest,
wie und wo ich begraben sein möchte.
Das kostet Überwindung.
Nicht einmal A n n a M a g n a n i , die zäheste, bodenständigste Frau in der Geschichte des Kinos,
hatte den Schneid, sich ein Grab zu kaufen.
So landete sie in unserem Familiengrab im Pincetto auf dem Verano-Friedhof,
bis Luca, ihr Sohn, eine endgültige Ruhestätte für sie fand.
Isabella Rossellini, Some of me, S. 167