Gisbert Bultmann
Rechtsanwalt & Notar a.D.
 

Unzulässigkeit einer Feststellungsklage wegen beeinträchtigender Schenkung zu Lebzeiten des Erblassers

BGB § 2287

OLG Schleswig, Urteil vom 04.06.2002 - 3 U 167/01

 

Gründe

I.


Die Parteien sind Geschwister. Der Kläger hat als zukünftigen Miterbe der Mutter der Parteien die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm nach dem Tod der Mutter einen Miteigentumsanteil von 2/3 eines ursprünglich der Mutter gehörenden Grundstücks aufzulassen und seiner Eintragung im Grundbuch zuzustimmen.

 

Die Parteien und ihr weiterer Bruder H G schlossen am 24. Oktober 1994 mit ihren Eltern einen notariellen Erbvertrag, in dem sich die Eltern gegenseitig zu Alleinerben und nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils die Parteien als Schlusserben je zur Hälfte einsetzten.

 

In § 3 des Vertrages bestimmten die Eltern unter der Überschrift "Teilungsanordnung", dass ihr Hausgrundstück in S-Strasse 17, eingetragen im Grundbuch von S, Blatt 731, dahin geteilt werden solle, dass die Beklagte einen Miteigentumsanteil zu 1/3 und der Kläger einen Miteigentumsanteil zu 2/3 erhalten solle und der Mehrwert als Vorausvermächtnis zugewendet sein solle. In § 4 des Vertrages verzichtete die Beklagte auf die Geltendmachung der sich zu ihren Gunsten ergebenden Ansprüche aus der Teilungsanordnung zu Gunsten des Klägers, der diesen Verzicht annahm.

 

Nachdem der Vater der Parteien am 27. Januar 1998 vorverstorben war und die Mutter der Parteien am 5. Juli 1999 einen Schlaganfall erlitten hatte, übertrug sie durch notariellen Vertrag vom 15. Juli 1999 (BI. 47 - 55 der Akte) das im Erbvertrag genannte Grundstück auf die Beklagte, die am 15. August 1999 als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Nach einem zweiten Schlaganfall im Mai 2001 schloss die Mutter der Parteien mit der Beklagten durch notariellen Vertrag vom 16. Mai 2001 (BI. 92 - 97 der Akte), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, eine Wohnungsrechts- und Pflegeverein-barung. Darin ist unter Bezugnahme auf eine im Zusammenhang mit der notariellen Übertragung vom 15. Juli 1999 mündlich getroffene Sorgevereinba-rung geregelt, dass die Beklagte in dem von ihr in B bewohnten Haus eine weitere Eigentumswohnung zu kaufen beabsichtigt und der Mutter an der von der Beklagten bislang bewohnten unteren Eigentumswohnung ein lebenslängliches Wohnungsrecht gewährt, diese Wohnung rollstuhlfähig für die Mutter herrichtet und vollständig renoviert und ihrer Mutter Hege und Pflege in dem Umfang gewährt, wie er üblicherweise von im Haus wohnenden Familienangehörigen geleistet werden kann.

 

 Im zeitlichen Zusammenhang mit diesem notariellen Vertrag hat die Beklagte die darin genannte zu erwerbende Eigentumswohnung wie vorgesehen gekauft.

 

Der Kläger hat geltend gemacht, bei der Übertragung des Hausgrundstücks in S handele es sich um eine ihn beeinträchtigende Schenkung gemäß § 2287 BGB, weshalb die Beklagte, wenn die Mutter eines Tages verstorben sei, verpflichtet sei, ihm wie im Erbvertrag vorgesehen, einen Miteigentumsanteil an dem Haus zu 2/3 zu übertragen. Er habe ein Interesse, dass dies alsbald festgestellt werde, damit er sich auf seine wirtschaftliche Situation nach dem Tod der Mutter einrichten könne.

 

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ein wirtschaftliches Interesse an der Feststellung des Klägers mit der Begründung bejaht, dem Kläger müsse es ermöglicht werden, finanzielle Vorkehrungen treffen zu können, für den Fall, dass er kein Miteigentum an dem Grundstück erwerben werde; überdies beständen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht in der Lage sein werde, den Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB zu erfüllen, weil sie beabsichtige, das Grundstück zu veräußern und Zweifel daran bestünden, ob sie zur Erfüllung eines Wertersatzanspruchs in der Lage sei.

 

Der Kläger habe als Vertragserbe ein einer Anwartschaft gleichkommendes Recht auf den Anspruch nach § 2287 BGB. Die Schenkung an die Beklagte werde durch ein lebzeitiges Eigeninteresse der Mutter nicht gedeckt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Schenkung schon vorgesehen gewesen sei, bevor die Mutter im Juli 1999 pflegebedürftig geworden sei.

 

Die von der Beklagten behauptete damals schon in Aussicht gestellte Pflege habe keine Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks sein sollen, da die Beklagte und ihre Mutter diese Sorgeleistungen als Selbstverständlichkeit angesehen hätten. Der spätere notarielle Wohnungsrechts- und Pflegevertrag sei offenbar lediglich geschlossen worden, um die Übertragung des Grundstücks im Nachhinein zu rechtfertigen und zukünftige Ansprüche des Klägers nach § 2287 BGB auszuschließen.

 

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Urteilsbegründung wird auf das angefochtene Urteil (Bl.115 -123 der Akte) Bezug genommen.

 

 

Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, die Klage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Ein Ausgleichsanspruch nach § 2287 BGB entstehe erst mit dem Erbfall. Da er als Bereicherungsanspruch ausgestaltet sei, lasse sich derzeit der konkrete Anspruchsinhalt eines etwaigen Anspruchs aus § 2287 BGB nicht bestimmen. Sie sei frei, das Grundstück zu veräußern. Für den Fall, dass ein Ausgleichsanspruch nach § 2287 BGB überhaupt in Betracht komme und das Grundstück im Erbfall nicht mehr in ihrem Eigentum stehe, müsse sich der Kläger ggf. mit einem Wertersatzanspruch begnügen.

 

Der mit der Klage unternommene verkappte Versuch, das Grundstück förmlich zu "arretieren", sei von der Anspruchsgrundlage nicht gedeckt. Vor dem Erbfall bestehe grundsätzlich kein Feststellungsinteresse von Erbansprüchen. Ein "Gezerre" um das Erbe zu Lebzeiten des Erblassers solle vermieden werden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Kläger als Vertragserbe kein der Anwartschaft gleich kommendes Recht.

 

Ein Feststellungsinteresse für zukünftige Erwartungen gebe es nicht. Der erbrechtliche Charakter dieses Rechtsstreits werde von der Mutter der Parteien als unerträglich empfunden.

 

In jedem Fall sei die Feststellungsklage unbegründet, weil die Schenkung des Hauses erfolgt sei, um Pflege und Zuwendung für die Mutter der Parteien sicherzustellen. Diese sei - unstreitig - schon seit langem wegen Diabetes mellitus und Bluthochdruck in ärztlicher Behandlung gewesen, davon von Januar bis März 1999 insgesamt 12 Wochen in stationärer Behandlung im städtischen Krankenhaus danach in der Kurklinik H. Ihr sei aufgrund eines Anfang der 70-er Jahre bereits einmal erlittenen Schlaganfalls bewusst gewesen, dass sie dazu neige, einen Schlaganfall zu erleiden.

 

Nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1998 habe sie nunmehr - ebenfalls unstreitig - allein im Haus in Wegen ihrer gesundheitlichen Situation und der Einsamkeit im Haus habe sie Angstgefühle entwickelt und sich wegen der Absicherung ihrer Versorgung im Alter an sie, die Beklagte, gewandt.

 

Ihre finanzielle Absicherung durch die Übertragung des Hausgrundstücks sei erforderlich gewesen, um sie überhaupt zur Erfüllung einer Pflegeverpflichtung in die Lage zu versetzen, da in der von ihr damals bewohnten Dreizimmerwohnung räumlich eine Unterbringung der Mutter gar nicht möglich gewesen sei. Sie und ihr Ehemann hätten dann im Juni 2001 die zweite obere Wohnung in dem Zweifamilienhaus, in dem sie bislang unten gewohnt hatten, erworben.

 

Es ist unstreitig, dass die Beklagte und ihr Ehemann zwischenzeitlich in die obere Wohnung umgezogen sind, die untere Wohnung behindertengerecht umgebaut und renoviert haben und die Mutter der Parteien dort am 3. Oktober 2001 eingezogen ist. Die Beklagte behauptet, sie koche jeden Tag für die Mutter und erbringe umfangreiche Pflegeleistungen. Sie arbeite halbtags, auf eine Ganztagsbeschäftigung habe sie mit Rücksicht auf ihre Pflegevereinbarung mit der Mutter verzichtet.

 

Das der Beklagten übertragene Grundstück in S ist während des Berufungsverfahrens an einen Dritten veräußert worden, nachdem eine vom Kläger auf Grund des angefochtenen Urteils erwirkte Vormerkung zu seinen Gunsten aus dem Grundbuch gelöscht worden ist.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm 2/3 des Kaufpreises aus dem Verkauf des Hausgrundstücks S.-Straße 17 in S gemäß Vertrag vom 10. April 2002 nach dem Tode der Frau L G zu zahlen.

 

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stände ein Anspruch aus § 2287 BGB zu, dessen Anspruchsinhalt sich aus dem Erbvertrag ergebe. Die Beklagte könne über das Grundstück nicht frei verfügen, weil sie bösgläubig sei und deshalb verschärft nach § 819 BGB hafte.

 

Ein Gezerre um das Erbe finde nicht statt, weil das Grundstück bereits aus dem Vermögen der Mutter der Parteien ausgegliedert sei. Sein besonderes Feststellungsinteresse bestehe auch deshalb, weil er erwäge, in vier Jahren mit 55 in Altersteilzeit zu treten, weshalb er im Hinblick auf die für das Alter zu treffende Vorsorge ein Interesse daran habe festzustellen, ob ihm der geltend gemachte Anspruch zustehe. Ein lebzeitiges Eigeninteresse der Mutter an der Schenkung des Hausgrundstücks habe nicht bestanden. Es sei ihr allein darum gegangen, ihm zu schaden.

II.

Die Berufung ist begründet.

 

Die Feststellungsklage ist unzulässig. Gemäß § 256 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald richterlich festgestellt wird.

 

 Das festzustellende Rechtsverhältnis muss grundsätzlich ein gegenwärtiges sein. Eine Klage auf Feststellung von Rechtsfolgen aus einem künftigen (möglicherweise) entstehenden Rechtsverhältnis ist dagegen unzulässig. Der Kläger hat als künftiger Erbe einer noch lebenden Person zunächst die Feststellung eines Auflassungsanspruchs wegen einer angeblich beeinträchtigenden Schenkung gegen einen Beschenkten verfolgt und begehrt nach Verkauf des Grundstücks nunmehr die Feststellung eines Zahlungsanspruchs in konkreter Höhe (2/3 des Kaufpreises) von der Beschenkten.

Das ist vor dem Tode des Erblassers mangels eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO nicht möglich.

 

1. Die Frage, ob Rechte aus § 2287 Abs. 1 BGB vor dem Tode des Erblassers im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden können, ist allerdings umstritten.

 

Die Befürworter berufen sich sämtlich ohne eigene Begründung auf eine Entscheidung des OLG Koblenz vom 14. Juli 1987 (MDR 1987, 935; so z. B. Zöller-Greger, 23. Aufl., § 256 Rn. 3 a; Palandt-Edenhofer, 60. Aufl., § 2287 Rn. 17). Das OLG Koblenz argumentiert dahin, dass der Vertragserbe, sobald ihm das Erbrecht grundsätzlich nicht mehr entzogen werden kann, ein einer Anwartschaft gleichkommendes Recht auf den Anspruch aus § 2287 BGB habe und leitet das Feststellungsinteresse daraus ab, dass der Vertragserbe schon jetzt wissen können müsse, ob und in welcher Höhe ihm nennenswerte Beträge im Falle des Ablebens des Erblassers zustehen, damit er sich wirtschaftlich darauf einrichten könne. Das ist mit der herrschenden Meinung aus mehreren Gründen abzulehnen

.

Der Wortlaut des § 2287 BGB ist eindeutig. Danach kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes verlangen. Vor dem Erbfall besteht der Anspruch nicht, auch nicht als bedingter.

 

Es ist heute in Rechtsprechung und Literatur unstreitig, dass der erbvertraglich Bedachte nur eine bloße Hoffnung, aber kein rechtlich gesichertes Anwartschaftsrecht auf den Erwerb der Vermögensmasse des Erblassers bzw. des Vermächtnisgegenstandes besitzt.

Durch eine Verfügung von Todes wegen wird, auch wenn sie vertragsmäßig getroffen wird, niemals ein Anspruch gegen den Erblasser begründet. Rechte der Bedachten entstehen erst mit dem Eintritt des Erbfalles.

 

Bis dahin besteht lediglich eine tatsächliche Aussicht. Der Erbvertrag führt nur zu einer erbvertraglichen Bindung des Erblassers, die darin besteht, dass der Erblasser keine anderweitige mit dem Erbvertrag in Widerspruch stehende letztwillige Verfügung treffen kann.

 

An lebzeitigen Verfügungen ist der Erblasser durch den Erbvertrag nicht gehindert (§ 2286 BGB). Die Einschränkungen der § 2287, 2288 BGB genügen nicht, dem durch den Erbvertrag Bedachten vor dem Erbfall schon ein Anwartschaftsrecht zu gewähren (BGHZ 12, 115, 118/119/122; Staudinger-Kanzleiter, BGB, 13. Aufl., § 2286 Rn. 6; Müko-Musielak, BGB, 3. Aufl., § 2286 Rn. 3).

 

Schon dies schließt gegenwärtig die Feststellung eines Anspruchs nach § 2287 BGB aus, weil der vom Erbrecht abgeleitete Bereicherungsanspruch dem Vertragserben keine gesichertere Position verschaffen kann als das Erbrecht selbst.

 

Mit der herrschenden Meinung ist schon deshalb mangels eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses die Feststellungsklage als unzulässig anzusehen (Müko-Musielak, 3. Aufl., § 2287 Rn. 20, § 2286 Rn. 6; Erman-M. Schmidt, 10. Aufl. § 2287 Rn. 6; Staudinger-Kanzleiter, 13. Aufl., § 2287 Rn. 1 8/1 9; 2286 Rn. 6).

 

2. Es steht derzeit noch nicht fest, dass der Kläger gegen den Beklagten künftig einen Anspruch aus § 2287 BGB hat. Diese Unsicherheit verbietet es, gegenwärtig bereits mit Rechtskraftwirkung des Urteils einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 2/3 des erzielten Kaufpreises festzustellen.

 

Der geltend gemachte künftige Anspruch des Klägers steht in vielfacher Hinsicht auf schwankendem Boden

.

a. Gegenwärtig lässt sich noch nicht feststellen, ob dem Kläger, wie es § 2287 BGB voraussetzt, die Erbschaft jemals anfallen wird.

 

So kann der überlebende Ehegatte, der sich in einem Erbvertrag hinsichtlich letztwilliger Verfügungen gebunden hat, bei bestimmten schwerwiegenden Verfehlungen des Bedachten, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen (§ 2333 BGB), von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten (§ 2294 BGB).

 

Es ist auch denkbar, dass die Erbschaft ausgeschlagen wird, beispielsweise wegen Überschuldung des Nachlasses. Schlägt der Vertragserbe die Erbschaft aus, so gilt der Anfall an ihn als nicht erfolgt (§ 1953 BGB); in diesem Fall gilt auch der Anspruch nach § 2287 BGB als nicht entstanden (Staudinger/ Kanzleiter, a.a.O., § 2287 Rn. 17).

 

b. Unsicherheiten in der Entwicklung der Lebensverhältnisse bis zum Tod der Erblasserin bestehen auch in Bezug auf den Schenkungsgegenstand und eine noch andauernde Bereicherung der Beklagten im Erbfall. Auch wenn die Mutter der Parteien gute Rentenansprüche hat, lässt sich gegenwärtig überhaupt noch nicht beurteilen, ob sie infolge ihrer Pflegebedürftigkeit, die unabsehbar noch weiter zunehmen kann und auch einen solchen Grad erreichen kann, dass eine Pflege nur in einer professionellen Pflegeeinrichtung mit geschultem Personal wahrgenommen werden kann, dauerhaft in der Lage sein wird, von ihren laufenden Einkünften ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Je nach Entwicklung der Lebensverhältnisse kann daraus ein Rückforderungsanspruch der Mutter der Parteien wegen Notbedarfs gegen die Beklagte gem. § 528 BGB erwachsen.

 

Der Mutter der Parteien bleibt es auch unbenommen, die Schenkung gem. § 530 BGB zu widerrufen, wenn sich die Beklagte durch eine schwere Verfehlung gegen ihre Mutter oder einen nahen Angehörigen der Mutter groben Undankes schuldig machen würde. Würde die Beklagte aus diesem Grund das Geschenk noch an die Mutter heraus geben, kann einem künftigen Erben kein Anspruch aus § 2287 BGB erwachsen.

 

c. Selbst wenn der Kläger nach Anfall der Erbschaft einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gem. § 2287 BGB hätte, ließe sich gegenwärtig der konkrete Anspruchsinhalt nicht bestimmen. Inhalt und Umfang des Anspruchs werden durch die Rechtsfolgeverweisung des § 2287 BGB auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung geregelt. Insbesondere gilt § 818 Abs. 2 BGB. Einen gegenständlichen Anspruch auf das Geschenk verleiht § 2287 BGB demnach nur, wenn es noch im Vermögen des Beschenkten vorhanden ist. Anderenfalls kommt nur Wertersatz in Betracht.

 

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass in § 3 des Erbvertrages bestimmt ist, dass der Kläger einen Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück zu 2/3 erhalten soll. Diese Anordnung kann Wirkungen nur entfalten, soweit das Grundstück S sich im Erbfall im Nachlass befindet. Das dem Kläger zugewendete Vorausvermächtnis ist unwirksam, soweit der Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört (§ 2169 BGB). Ein etwaiger Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB im Erbfall beurteilt sich deshalb nach dem Bereicherungsrecht.

 

Es ist zu Lebzeiten des Erblassers noch nicht voraussehbar, ob sich ein etwaiger Anspruch nach § 2287 BGB zum Zeitpunkt des Erbfalls auf gegenständ1iche Herausgabe des Geschenks durch dingliche Übertragung des Eigentums oder nur auf Wertersatz richtet. Der Prozessverlauf verdeutlicht dies anschaulich.

 

Das bei Klageerhebung noch im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück ist im Laufe des Berufungsverfahrens verkauft worden. Wäre das landgerichtliche Urteil, durch das festgestellt worden ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach dem Tode der Mutter einen Miteigentumsanteil von 2/3 des Grundstücks aufzulassen und einer Eintragung des Klägers in das Grundbuch zuzustimmen, in Rechtskraft erwachsen, stände diese Verpflichtung zwischen den Parteien bindend fest und würde dem Kläger bei einer auf das Feststellungsurteil gestützten Leistungsklage einen Schadensersatzanspruch eröffnen, obgleich das Grundstück im Erbfall gar nicht mehr im Vermögen der Beklagten vorhanden wäre, und die Beklagte richtigerweise deshalb nach § 2287 BGB nur auf Wertersatz haftet.

 

An der Nichtbestimmbarkeit des konkreten Anspruchsinhalts im Erbfall hat sich durch den inzwischen erfolgten Verkauf nichts geändert. Zum einen ist der Kaufvertrag vom 10. April 2002 noch gar nicht vollzogen und noch offen, ob er letztlich vollzogen wird. Daraus ergibt sich, dass bei Schluss der mündlichen Verhandlung des Senats nach wie vor unsicher geblieben ist, ob ein etwaiger Bereicherungsanspruch im Erbfall auf originäre Herausgabe des Geschenks durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch oder auf Wertersatz in Höhe des anteiligen Kaufpreises gerichtet ist, was es ausschließt, die konkret beantragte Feststellung auf Verpflichtung zur Zahlung von 2/3 des Kaufpreises auszuurteilen.

 

Selbst wenn der Kaufvertrag dinglich vollzogen werden würde, ist heute noch nicht voraussehbar, ob der Kläger im Erbfall einen Wertersatzanspruch auf Herausgabe des Kauferlöses hätte oder ob der Anspruch der Höhe nach gemäß § 818 Abs. 3 BGB wegen Wegfalls der Bereicherung vermindert oder gänzlich ausgeschlossen sein wird. Richtig ist zwar, dass die Beklagte bei Kenntnis von einer beeinträchtigenden Schenkung nach § 819 BGB verschärft wegen Bösgläubigkeit haften würde.

Dies schließt indes nicht aus, dass sie sich auf unverschuldete Verluste berufen könnte, beispielsweise auf zur Abwendung eines Rückforderungsanspruchs der Mutter wegen Notbedarfs geleistete Unterhaltsbeträge (§ 528 Abs. 1 Satz 2 BGB).

 

 Dies wäre ihr indes durch ein Feststellungsurteil mit dem nunmehr beantragten Inhalt, festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger genau 2/3 des Kaufpreises zu zahlen hat, abgeschnitten. Ist im Feststellungsurteil eine unbegrenzte Haftung des Beklagten ausgesprochen, kann im nachfolgenden Leistungsprozess infolge der Rechtskraftwirkung der Einwand begrenzter Haftung nicht mehr geltend gemacht werden.

 

Die gegenwärtig völlig unvorhersehbare Entwicklung der Lebensverhältnisse schließt es aus, einen aus dem Erbrecht nach einer noch lebenden Person abgeleiteten denkbaren künftigen Herausgabeanspruch wegen einer beeinträchtigenden Schenkung in einem konkret definierten Herausgabeumfang mit Rechtskraftwirkung festzustellen.

 

3. Der Gesetzgeber lässt den Anspruch aus § 2287 BGB bewusst erst mit dem Anfall der Erbschaft entstehen, also in jedem Fall nach dem Tode des Erblassers, und verweigert jedem Vertrag über das Erbe eines noch lebenden Dritten grundsätzlich die Anerkennung (§ 312 Abs. 1 BGB).

 

Der Rechtsgedanke des § 312 Abs. 1 BGB steht der Anerkennung und Durchsetzung einer Feststellungsklage aus § 2287 BGB zu Lebzeiten des Erblassers gleichfalls entgegen. In Rechtsprechung und Literatur wird mit Recht darauf hingewiesen, dass ein strenger Maßstab an die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO angelegt werden muss, um ein allgemein als anstößig empfundenes, die

 

Würde des Erblassers verletzendes Gezerre und Gefeilsche um sein Hab und Gut schon vor seinem Tode möglichst zu vermeiden (vgl. z. B. OLG München NJW-RR 1996, 328).

 

Staudinger-Kanzleiter (a.a.O, § 2287 Rn. 18) und Lange (NJW 1963, 1571, 1574) weisen zutreffend darauf hin, dass einer Feststellungsklage aus § 2287 BGB die Zulässigkeit schon deshalb zu versagen ist, weil gewährleistet bleiben muss, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten nicht - auch nicht als Zeuge - in einen Rechtsstreit über seine Beerbung hineingezogen werden darf.

 

Wie bereits ausgeführt, wird der Erblasser durch einen Erbvertrag nur gebunden, keine mit dem Erbvertrag in Widerspruch stehenden letztwillige Verfügungen zu treffen, ist indes nicht beschränkt, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, § 2286 BGB.

 

Er kann mit seinem Vermögen zu Lebzeiten grundsätzlich schalten und walten wie er will und muss dem Vertragserben dazu nicht Rede und Antwort stehen. Dieser ist lediglich nach dem Anfall der Erbschaft unter bestimmten Voraussetzungen auf die Ansprüche aus § 2287, 2288 BGB beschränkt.

 

 Es wäre unerträglich und mit dem Freiheitsschutz des Erblassers an Verfügungen unter Lebenden unvereinbar, dass dieser im Rechtsstreit sich den Vorwürfen des Vertragserben wegen einer angeblichen Beeinträchtigungsabsicht ausgesetzt sehe, seine Rechtsgeschäfte und Motivationen dazu vor den Prozessbeteiligten und dem Gericht ausbreiten und sein etwaiges lebzeitiges Eigeninteresse an Schenkungen rechtfertigen müsste und sich über all das "zu Tode ärgern" muss.

 

Dabei ist ohne Belang, dass sich der Kläger im Berufungsverfahren, anders als im ersten Rechtszug, nicht mehr auf das Zeugnis seiner Mutter berufen hat. Er könnte jederzeit anderen Sinnes werden und kann im übrigen auch der Prozessgegnerin nicht abschneiden, sich ihrerseits für ihre Tatsachenbehauptungen auf die Mutter als Zeugin zu berufen.

 

Die Gefahr, dass die künftige Erblasserin zu ihren Lebzeiten in einen Prozess über das Gezerre um ihren Nachlass hineingezogen wird, wäre unvermeidbar.

Der begehrte Feststellungsausspruch könnte mittelbar Einfluss auf die Dispositionen der Mutter der Parteien haben, wofür der Erbvertrag zu ihren Lebzeiten nichts hergibt.

 

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 Satz 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.

 

 

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