Leben und Tod
25. Januar 2007
Die Fraktionen debattieren über die Geltung einer Patientenverfügung
Patientenverfügungen sollen noch vor dem Sommer gesetzlich geregelt werden. Die Entwürfe, die derzeit zur Debatte stehen, unterscheiden sich im Kern darin, ob der Wille des Patienten generell gilt - oder erst in der Sterbephase.
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Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach will den Wünschen des Patienten nur dann den Vorrang geben, wenn dieser eine "irreversible Krankheit mit tödlichem Verlauf" hat.
Dies müsse der Patient schriftlich festgelegt und mit einer Unterschrift besiegelt haben. Eine Ausnahme räumt Bosbach jetzt aber ein: "Die Patientenverfügung soll auch bei Menschen wirksam werden, die in einem Wachkoma liegen oder an schwerster Demenz leiden."
Mehr Selbstbestimmung des Patienten fordert dagegen der SPD-Rechtspolitiker Joachim Stünker. Wenn sein Entwurf die Mehrheit findet, muss die Patientenverfügung grundsätzlich befolgt werden. Unabhängig davon, ob der Mensch noch heilbar ist.
Diese Position vertritt auch Brigitte Zypries (SPD). Die Bundesjustizministerin hatte bereits in der vorherigen Wahlperiode einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der der damaligen rot-grünen Koalition jedoch zu weit ging. Einig sind sich die Abgeordneten, dass eine aktive Sterbehilfe weiterhin tabu sein müsse.
Bei der Abstimmung im Bundestag gilt in diesem Fall nicht der Fraktionszwang. Die Abgeordneten dürfen also unabhängig von der Parteizugehörigkeit nach ihrem Gewissen entscheiden.
Irritation erzeugt die Forderung nach Einbeziehung der Wachkoma- und Demenz-Patienten bei Prof. Linus Geisler. Als Mitglied der Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" des Bundestages (2000 bis 2005) hatte der Arzt der rot-grünen Koalition genau diese "Reichweitenbeschränkung" empfohlen: Für diese Menschen sollten Patientenverfügungen nicht gelten. "Weil sie verfasst wurden, als sich der Betroffene überhaupt nicht in die extreme Lage hineinversetzen vom konnte."
Dass aktive Sterbehilfe auch weiterhin tabu ist, hält auch Geisler für richtig. Dennoch sagt er, "dass nicht jede Weiterbehandlung angezeigt ist. Man muss als Arzt entscheiden, wann sie sinnvoll ist."
Geisler wie auch der Schmerztherapeut Prof. Michael Zenz aus Bochum halten eine weitere rechtliche Regelung für nicht nötig. Zenz: "Die Gesetze reichen aus. Wir brauchen allerdings vernünftige Patientenverfügungen."
WAZ vom 25..01.2007 Maren Schürmann und Petra Koruhn