Ärzte unwissend
01. Mai 2006
Ein Mediziner liest seinen Kollegen - anders kann man es nicht nennen - die Leviten:
So geschehen auf der Diskussion der Süddeutschen Zeitung über Sterbehilfe.
Und in dem Interview mit dem Palliativmediziner Prof. Borasio
„Viele Ärzte sind unsicher"
(Borasio ist nicht irgendwer: Er ist einer der rührigsten Palliativmediziner
Deutschlands, Mitglied der Kutzer-Komission beim BMJ, Autor der viel beachteteten Broschüre des Bayerischen Justizministeriums zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.)
Die Palliativmedizin könne heute den meisten Menschen helfen, in Würde und friedlich zu sterben, sagte Professor Gian Domenico Borasio, geschäftsführender Vorstand am Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin am Klinikum der Universität München.
Allerdings bestünden nach wie vor in vielerlei Hinsicht bei den Ärzten erhebliche Unsicherheiten über die gegenwärtige rechtliche Situation in Deutschland, so daß oftmals die Möglichkeiten einer modernen Palliativmedizin nicht ausgeschöpft würden.
Zudem trage eine regelrechte "Morphin-Phobie" bei den Ärzten dazu bei, daß Patienten am Ende des Lebens häufig nicht optimal versorgt werden, meinte Borasio. Tatsächlich sei durch eine aktuelle Meta-Analyse inzwischen nach-gewiesen, daß eine Schmerztherapie mit Morphin in steigender Dosierung nicht zu einer Verkürzung sondern im Gegenteil sogar zu einer leichten Verlängerung des Lebens führt, berichtete Borasio.
Ein Trauerspiel!
Dagegen lieben es "die Mediziner", zu fordern, eine Patientenverfügung solle erst wirksam sein, wenn eine Beratung durch einen Arzt stattgefunden hat. (So die Enquete-Kommission des Bundestages, der vorwiegend Ärzte angehören) Was aber, wenn der Patient an einen Arzt der von Borasio beschriebenen Art gerät?
Auch klingt uns der ewig wiederholte Einwand im Ohr, die Patientenverfügung sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn die Situation am Lebensende konkret benannt werde.
Welcher Laie kann das schon?
Stattdessen sollten die Ärzte wissen, daß eine Patientenverfügung den Wunsch ausdrückt , am Lebensende möge niemals die Routine des medizinischen Betriebs siegen, sondern nur das geschehen , was sich in einem Gespräch mit den Angehörigen und den bevollmächtigten Personen als mutmaßlicher Wille des Patienten erkennen läßt.
Lesen Sie auch "Für eine Ethik des Dialogs". Es handelt sich um einen Artikel aus der SZ vom 17.11.2004, den er - Borasio - zusammen mit dem Rechtsmediziner Prof. Dr. Eisenmenger verfaßt hat.