Vocatus
20. April 2013
Vor sechs Jahren war hier zu lesen:
Vocatus atque non vocatus deus aderit - Gerufen oder nicht gerufen, Gott wird da sein!
Zwei Männer im Rentenalter hatten bei mir eine gegenseitige Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung beurkundet.
Sie lebten - ledig und kinderlos - zusammen.
In meinen Vorträgen mit Dr. Günnewig habe ich sie mindestens zwei Mal gesehen.
Kluge Leute, die sich im Gesundheitswesen auskennen.
Anlass dafür, daß "es nun geschehen" sollte, war, daß für den Älteren eine Operation an einem Aneurysma der Aorta bevorstand.
Minimal-invasiv solle die vor sich gehen, man befürchte nichts, aber man könne ja nie wissen.
Jetzt treffe ich den jüngeren von beiden; bleich sieht er aus, denke ich sofort.
Sein Freund war wenige Tage nach Karneval gestorben.
Minimal-invasiv hatte nicht geklappt, es mußte klassisch-chirurgisch operiert werden.
Das überlebte er nicht...
Liebevoll holte er den Leichnam seines Freundes zu sich in die Wohnung, wo er gemeinsam mit anderen in Ruhe Abschied nahm.
Da ich nicht in der Stadt war, hatte ich die Sterbeanzeige nicht gesehen.
Nun bekam ich sie.
Auffällig der lateinische Spruch, den ich trotz großen Latinums nachschlagen - auf "deutsch" googeln - mußte:
Gerufen oder nicht gerufen - Gott wird da sein.
Die beiden sind gebildete Menschen; sicher wußten sie, daß es sich um einen Spruch des Orakels von Delphi
und den Wahlspruch des großen Schülers von Sigmund Freud, des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung, handelte.
Wie dem auch sei:
Ein Vorgang, der mich in eine Melange aus Trauer und heiterer Melancholie versetzte.