Gisbert Bultmann
Rechtsanwalt & Notar a.D.
 

Befängnis

12. Oktober 2007

 

 

Szene einer Ehe: Die Gattin grinst bei der Zeitung zum Frühstück. Der Gemahl wird neugierig; was er vorgelesen bekommt, klingt nach einer ARD/ZDF-Schnulze am Montagabend, ist aber wahr:

 

"Liebesbrief an den Angeklagten

 

Prozess gegen einen mutmaßlichen Millionenbetrüger in Bochum geplatzt. - Laienrichterin verguckte sich in den Mann und schob ihm in der Gerichtskantine einen folgenschweren Zettel zu.

Eigentlich sollte die 53-jährige Laienrichterin so unvoreingenommen wie die blinde Justitia abwägen, welches Urteil für den 45-jährigen Angeklagten angemessen ist. Er ist ein mutmaßlicher Steuerbetrüger, der mit einer Recklinghäuser Firma 1,7 Mio €  Abgaben unterschlagen haben soll. Doch gestern, kurz vor dem 15. Prozesstag, legte die Richterin, eine Sozialwissenschaftlerin, ihre von Amts wegen gebotene Distanz ab und drückte dem mutmaßlichen Millionenbetrüger in der Gerichtskantine einen unerhört herzenswarmen Brief in die Hand. Wenige Minuten später war der ganze, bereits über fünf Monate dauernde Prozess geplatzt. Weil das Herz der Richterin zu befangen ist.

 

Die drei Berufsrichter der 13. Strafkammer trauten wohl ihren Augen nicht, als sie den Brief später lasen. Die Laienrichterin, die den ganzen Prozess mit auf der Richterbank saß, schrieb dem Angeklagten, einem attraktiven, tadellos gekleideten Ingenieur mit wohlge-formtem vollen Haar, nach Angaben des Gerichts, dass sie ihn für einen anständigen und lieben Menschen halte. 


Sie glaube, dass er nur durch unglückliche Verhältnisse in die Misere hineingeschlittert sei. Er habe nur die Wahl gehabt: Insolvenz seiner Firma oder Steuerbetrug - da könne sie sein Handeln verstehen.


Anfangs habe er das bestimmt nicht mit Absicht gemacht. Die Folgen (ein Jahr U-Haft, drohende lange Haftstrafe), bedaure sie. Im Übrigen müsse sie zugeben, dass ihr noch nie in den sieben Jahren als ehrenamtliche Richterin ein Fall so nahe gegangen sei. Auch sein weiterer Werdegang interessiere sie. An anderer Stelle des maschinenschriftlichen Briefes wünschte sie, dass sie beide sich auch außerhalb des Prozesses weiter austauschten...

Mehr darüber in der WAZ!

Plagt Sie auch die hochnotpeinliche Frage: Muß die Schöffin jetzt ins Befängnis?     
 

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