Würde
05. Mai 2009
Es ist wahr, dass das Sterben menschenunwürdig geworden ist. Es findet in Häusern statt, die nicht fürs Sterben, sondern fürs Geheiltwerden da sind. In der Klinik wird gegen den Tod gekämpft. Der Kampf endet mit Kapitulation, aber die geschieht oft viel zu spät. Nachdem Kranke oder Alte zum Leben gezwungen wurden, bleibt ihnen keine Zeit und kein Raum, „das Zeitliche zu segnen“. Sterben degeneriert zum bloßen Verenden. Die Sterberituale verkümmern. Angehörige verdrücken sich, wenn es ernst wird. Die Folge ist, dass mehr Menschen sterben, die niemals einen Sterbenden gesehen haben. Das ist ein unnatürlicher Zustand, und er fördert die stumme Angst vor dem Tod.
Robert Spaemann, heute vor 82 Jahren geboren