Inkompetenz
01. April 2022
Vor 13 Jahren war hier zu lesen:
Für Sie gelesen ! Kein April-Scherz !
"Dramatische Inkompetenz" wirft Prof. Dr. Gian Domenico Borasio
seinen Ärzte-Kollegen vor:
"Es kam so, wie es der alte Mann befürchtet hatte:
Er wurde durch einen Schlaganfall gelähmt und war nicht mehr ansprechbar.
Eine Aussicht auf Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben bestand nicht.
Für diesen Fall hatte er eine Patientenverfügung verfasst
und festgelegt, dass er in einer solchen Situation
keine lebensverlängernden Maßnahmen und keine künstliche Ernährung wollte.
Die vom Gericht zur Betreuerin bestellte Tochter versuchte,
den Willen des Vaters bei dem behandelnden Arzt durchzusetzen -
vergebens; man dürfe den Patienten nicht "verhungern" lassen, beschied sie der Arzt.
Sie könne aber ihren Vater natürlich jederzeit mit nach Hause nehmen.
Dies tat die Tochter, nicht ohne vorher den Arzt wegen Körperverletzung angezeigt zu haben.
Der Vater starb friedlich nach wenigen Tagen, der Arzt revanchierte sich mit einer Anzeige wegen Totschlags.
Tochter und Arzt sind bis heute durch die Ereignisse gezeichnet.
Oberbegriff für die Diskussion über Patientenverfügungen ist die Angst.
Viele Menschen haben Angst, am Ende ihres Lebens im Zustand der
Äußerungsunfähigkeit Opfer einer oft als bedrohlich empfundenen,
reflexionsfrei auf die maximale Verlängerung
der biologischen Existenz ausgerichteten High-tech-Medizin
zu werden.
Unscharfe bildliche Metaphern wie "an Schläuchen hängen"
bauschen diese Ängste weiter auf.
Zwar hat in Krankenhäusern und Intensivstationen
längst ein Umdenken begonnen,
und in vielen Kliniken stehen Ethikkomitees für eine Beratung
bei schwierigen Entscheidungen zur Verfügung,
aber es werden leider immer wieder Vorkommnisse bekannt,
die geeignet sind, diesen Ängsten neue Nahrung zu geben."